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2023

Stiftung_Arp_Stipendiat_innen2023_Bjeldbak-Henriksen

LOUISE BJELDBAK HENRIKSEN

Kunsthistorikerin und freie Kuratorin, Den Haag

Sophie Taeuber-Arp und Franciska Clausen: Der Kreis

In den 1920er- und 1930er-Jahren wurde Paris zum Epizentrum der europäischen Avantgarde, wo Künstler*innen Ideen austauschten und gemeinsam arbeiteten. Sie organisierten sich in Akademien wie der Académie Moderne, der Académie Scandinave und der Académie Andre Lhote sowie in Künstlergruppen wie Cercle et Carré und Abstraction-Création.

1929 wurden Sophie Taeuber-Arp (1889-1943) und die dänische Künstlerin Franciska Clausen (1899-1986) Mitglieder von Cercle en Carré. Im darauffolgenden Jahr nahmen sie an deren ersten Ausstellung teil, die vom 18. bis 30. April 1930 in der Pariser Galerie 23 stattfand. In Vorbereitung auf diese Ausstellung malte Clausen eine Komposition aus Kreisen, Rechtecken und Quadraten. Sie wählte den Namen der Gruppe als Titel, da er als Alternative zum Logo der Gruppe gedacht war, das ihr wegen mangeltem Rhythmus und Harmonie missfiel. Nach der Begegnung mit Clausens Arbeit Cercle et Carré (1930) tauchte der Kreis in Taeuber-Arps Werk auf, und Hugo E. Weber (1918-1971) nannte sie bald “die Künstlerin des Kreises”. Im Gegensatz zu vielen ihrer Künstlerkolleg*innen, die Quadrate und Rechtecke in Primär- und nicht chromatischen Farben bevorzugten, verwendeten Taeuber-Arp und Clausen eine breitere Farbpalette, um ihren dynamischen und doch ausgewogenen Kompositionen Leben einzuhauchen.

Das vorgeschlagene Forschungsprojekt zielt zum einen darauf ab, eingehend zu untersuchen, wie Taeuber-Arp und Clausen in ihren Kompositionen mit Kreisen arbeiteten. Darüber hinaus möchte Louise Bjeldbak Henriksen den Austausch zwischen beiden Künstlerinnen in den Jahren nachzeichnen, in denen sie dieselben Künstlerkreise frequentierten. Zum anderen möchte die Stipendiatin Taeuber-Arps skandinavische Verbindungen und Netzwerke als Hintergrund für ihre künstlerischen Erkundungen beleuchten. Denn in dieser Zeit war Taeuber-Arps skandinavisches Netzwerk breiter angelegt als das von Clausen. In den 1930er-Jahren traf sie sich und korrespondierte mit vielen skandinavischen Künstlern in Paris und im Ausland, z. B. mit Otto G. Carlsund (1897-1948), Vilhelm Bjerke-Petersen (1909-1957) und Erik Olson (1901-1986). Sie nahm an Ausstellungen abstrakter und konkreter Kunst in Skandinavien teil, wie z. B. an der Post-Cubist Art: Art Concret (1930) in Stockholm und Nutidskunst. Konstruktivisme. Neoplasticisme. Abstrakte Kunst. Surrealisme (1938), die sie gemeinsam mit Arp und Bjerke-Petersen im Kunstnerforbundet in Oslo organisierte.


Stiftung_Arp_Stipendiat_innen2023_Davidson

JOHN E. DAVIDSON

Professor, Ohio State University

Das Dort und Nicht-Dort in Hans Arps Nachkriegswerken

In der Studie untersucht John E. Davidson Arps erneute Beschäftigung mit Schwarz-Weiß-Arbeiten, Arps Reflexionen über die künstlerische Praxis und einige Gedichte aus der langen Adenauer-Ära (1949-66) im Hinblick auf drei verschiedene Aspekte.

Der erste Abschnitt ist der Nachkriegs-Rezeption von Kunstwerken aus der Zeit vor 1933 gewidmet: Inwieweit setzt sich die Nachkriegsrezeption mit der bestenfalls widersprüchlichen Praxis der historischen Avantgarde auseinander, die die primitivistische Abstraktion nutzte, um die Negation der “zivilisierten” Kultur Europas zu beschwören? Bedeutet die Erfahrung der Zeit unter dem NS-Regime, dass im Laufe der 1950er-Jahre eine kritische Auseinandersetzung mit rassistischen Aussagen der europäischen Avantgarde stattfand? Der Stipendiat wird nach Belegstellen für eine bewusste Auseinandersetzung damit in Arps Schreiben, Korrespondenz und Werken suchen (z. B. Zweiklang).

Der Stipendiat geht dabei von der Arbeitshypothese aus, dass sich zentrale Figuren des zwanzigsten Jahrhunderts nur unreflektiert mit der Vergangenheit auseinandergesetzt haben.

Dies möchte John E. Davidson anhand einer Untersuchung von Arps Schwarz-Weiß-Arbeiten darlegen. Von besonderer Bedeutung sind für ihn die Bilder, die auf der Rückseite der Buchseite durchscheinen und damit “verdoppelt” werden. Arps sieben “Klebebilder” in Richard Huelsenbecks Die Antwort der Tiefe (1954) oder die “Maske” in Huelsenbecks Mit Witz, Licht, und Grütze (1957) sind Prototypen der Verdoppelung, die in einem zweiten Artikel für Modernism/modernity untersucht werden soll.

Die Ergebnisse werden in ein größeres Projekt mit dem Titel “Die Kunst des Negativen” einfließen, in dem Davidson diesen ästhetischen Moment vor dem Hintergrund des Kalten Krieges untersucht. Der europäische Anspruch, die Verkörperung der Freiheit zu sein, wurde implizit und explizit als Negation der “Unfreiheit” des sowjetischen Ostens in einer konzeptionellen Konfiguration dargestellt, die den globalen Süden auslöschte. Die Befürwortung der Abstraktion als reinster Ausdruck künstlerischer Freiheit und als Kern einer “universellen Sprache” untermauerte dieses Konzept. Dennoch beruhten diese universalisierenden Bestrebungen pragmatisch auf der systematischen Ausbeutung nicht-weißer Teile des Globus. Um den kritischen Widerstand innerhalb von “The Art of the Negative” gegen diese selbstsüchtige Kulturpolitik zu veranschaulichen, wird die hier vorgeschlagene Untersuchung von Arps Nachkriegswerk mit Überlegungen zu weiteren bildenden Künstler*innen gepaart, die in unterschiedlichen Medien und Formen arbeiteten. Dazu gehören u.a.: Willi Baumeister, Fritz Brill, Chargesheimer, Ottomar Domnick, Heinz Hajek-Halke, Hans Hartung, Hannah Höch und Barbara Klemm.


Stiftung_Arp_Stipendiat_innen2023_Ottenhausen

CLEMENS OTTENHAUSEN

Assistenzkurator, Busch-Reisinger Museum

Zwischen Urgrund und Hintergrund: Hans Arps Plastiken zeigen und begreifen

Das Forschungsprojekt widmet sich der ästhetischen Ausstellungsgeschichte von Arps vollplastischen Arbeiten, um der Frage nach den historisch relevantesten und werkgerechtesten Präsentationsformen nachzugehen. Unter Einbeziehung der aktuellen Forschung zu Arps Oeuvre in Europa und Nordamerika untersuche ich die Skulpturen und Plastiken des Künstlers, sein Kunstverständnis, fotografische Reproduktionen seiner Werke und die grafische Gestaltung in den Publikationen seiner Texte, die Korrespondenzen mit Künstlerkolleg:innen und Museumsleuten auf der Suche nach Indizien, um eine Reihe von Thesen zu einer idealen Form der Inszenierung seiner Werke aufzustellen. Da sich diese Arbeit im Wesentlichen auf primäre Quellen stützt, plane ich zwei Forschungsphasen: einerseits Reisen zu Archiven in New York City mit kurzen Besuchen in weniger umfangreichen Materialsammlungen während meiner aktuellen Tätigkeit als Assistenzkurator im Busch-Reisinger Museum; andererseits einen Forschungsaufenthalt in der Stiftung Arp e.V. in Berlin. Ziel und Motivation des Projekts ist die Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Artikels zu dem Thema sowie die Erarbeitung einer Präsentation von Arps plastischen Werken aus der Sammlung des Busch-Reisinger Museums in den Harvard Art Museums in Cambridge, Massachusetts, USA.


Stiftung_Arp_Stipendiat_innen2023_Tenhoevel

CHRISTIANE TEN HOEVEL

Künstlerin, Berlin

Sophie Taeuber-Arp 4.0

Laufende Bilder

Mein Ansinnen ist es, Sophie Taeuber-Arps Strang des Textilen in Kleiderform aufzugreifen. In Anlehnung an ihr Farb- und Formverständnis werde ich LAUFENDE BILDER entwerfen und damit ihr transdisziplinäres Vorgehen nachempfinden. Dafür werde ich ihre „Bemerkungen über den Unterricht im ornamentalen Entwerfen“ zeichnerisch und malerisch untersuchen. Die daraus sich entwickelnden Arbeiten interpretieren ihre Vorgaben auf aktuelle Weise und veranschaulichen deren zeitlosen Anspruch. In den Materialien und Arbeitsschritten werde ich ihrer Arbeitsweisen nachspüren: Taeuber-Arp hat in der Regel in Entwürfen und Collagen auf Papier die Form- und Farbentscheidungen konzipiert und erst dann auf den jeweiligen Untergrund oder das Objekt übertragen und ausgeführt.

Begleitend werde ich in ihren Briefen nach Hinweisen auf den Entwicklungsprozess ihrer Arbeitsweise suchen und diese in meine Arbeit einfließen lassen. Besonders interessant ist bei diesem Versuch einer praktisch verarbeitenden Auswertung der Briefe aus ihrer Zeit in Zürich von 1914 bis 1928, in der Taeuber-Arp an der Kunstgewerblichen Abteilung der Gewerbeschule Entwerfen und Sticken unterrichtete, im Schweizerischen Werkbund mitwirkte, bei Rudolf von Laban tanzte, an Dada-Veranstaltungen teilnahm und in Straßburg Innenarchitekturprojekte ausführte. Kaum etwas könnte ihr interdisziplinäres Vorgehen mehr verdeutlichen, als dieser Blick auf ihre vielfältigen Beschäftigungen.

Die entstehende Serie von farbigen Arbeiten auf Papier werde ich per digitalem Druck auf Stoff übertragen und zu ‚tragbaren Wickelbildern‘ verarbeiten. `Tragbare Wickelbilder´ basieren auf einer „einfachen und zweckmäßigen Form“, bei der ein rechteckiges Stück Stoff um die Hüften gebunden zum Rock wird.

Ein gedrucktes Heft begleitet die entstehende Kollektion. Wie ein Modemagazin aufgemacht, verweist es in dieser Form auf den interdisziplinären Ansatz, der Kunst, Mode und Theorie vereint.


Nixdorff_Ulrich Quadr_MarieWeikopf

TABEA NIXDORFF UND MONIQUE ULRICH

Künstlerinnen, Berlin

Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf Taeuber-Arp als außergewöhnlich multimedial und interdisziplinär arbeitender Persönlichkeit und Netzwerkerin; wobei uns ihr Wirken vor allem hinsichtlich ihrer Fähigkeit der Grenzüberschreitung interessiert: sowohl zwischen ihren sozialen wie künstlerischen Rollen als auch in Hinblick auf den Wissenstransfer zwischen ihren Arbeitsfeldern. Uns interessiert Sophie Taeuber-Arps Situiertheit innerhalb ihrer Wirkungsfelder; wir möchten vertiefend ihrer Fähigkeit des sozialen Vernetzens sowie des „vernetzten Denkens“ innerhalb ihrer Produktion – über Gattungsgrenzen sowie künstlerische Gruppierungen hinaus – nachspüren.

Monographien und Einzelausstellungen verweisen zwar meist in begleitenden Texten auf Freundschaften und Gemeinschaften, doch nehmen sie diese nicht selten als gegebene Strukturen an. Was bedeutet es, (nicht ausschließlich eigennützige) Verbindungen zu bauen und zu pflegen? Wer leistet diese Arbeit? Wir denken, dass Taeuber-Arp eine spannende Person ist, um dieser Frage nachzugehen. Denn ihre Rollen als Freundin-Beraterin, Gastgeberin, Herausgeberin und Redakteurin der Zeitschrift Plastique/Plastic, Illustratorin, Lehrende und Kollaborateurin werden von Zeitgenoss*innen ebenso wertgeschätzt wie ihre künstlerischen und gestalterischen Werke. Die im weiteren Sinne als Care-Arbeit zu bezeichnenden Tätigkeiten Taeuber-Arps lassen sich, so hoffen wir, durch eine breit angelegte Arbeit mit den Archivalien und Sammlungsbeständen aufspüren sowie durch ein Nachvollziehen der intermedialen Übersetzung ihrer sozialen Tätigkeiten in ihre künstlerisch-gestalterischen Arbeiten. Gesellschaftlich gab und gibt es auch weiterhin eine größere Anerkennung und daher auch kunsthistorische Einschreibung von materialisierten Arbeiten und sogenannter freier Kunst gegenüber ephemerer, immaterieller sowie handwerklich-angewandter Arbeit. Taeuber-Arps Arbeiten entstanden entgegen dieser begrenzenden Hierarchisierung. Wir sehen Sophie Taeuber-Arp in dieser Hinsicht als ein Vorbild und ihre Produktivität und künstlerische Grenzüberschreitung innerhalb gesellschaftlicher Beschränkungen als höchst relevant an für gegenwärtige Fragestellungen zu (weiblicher) künstlerischer Produktion, Zugängen zu Ressourcen und kollaborativer Praxis. Taeuber-Arps Wirken in seiner Vielfältigkeit zu fassen, stellt zugleich die Frage nach einer adäquaten Form und Sprache. Uns scheint eine künstlerisch-forschende Herangehens- und Darstellungsweise, wie wir sie auch in unserer bisherigen Co-Autorinnenschaft angewandt haben, besonders geeignet.

Ziel unserer Forschung ist die Erarbeitung einer künstlerischen Publikation, die – unter Verwendung reproduzierter Archivmaterialien – zum einen ausgewählte Aspekte von Sophie Taeuber-Arps künstlerischer Praxis in ihren Verknüpfungen und Konstellationen zeigt, und zum anderen künstlerische Forschung selbst zum Gegenstand hat und eigene künstlerische „Antworten“ auf Taeuber-Arps Arbeit erlaubt. Eine Vielstimmigkeit der Methoden und Übersetzung als Wissensproduktion soll hierbei in experimenteller wie theoretisch reflektierter Weise umgesetzt werden. In einer früheren archivbasierterten Kollaboration hat sich außerdem die dramaturgische Montage der Forschungsergebnisse in eine Sound-Text-Performance als äußerst produktiv erwiesen. In Anlehnung an Sophie Taeuber-Arp erscheint uns diese Form in mehrfacher Hinsicht künstlerische Erkenntnis zu versprechen: Sie greift die dadaistischen Laut-Texte Hans Arps in Kombination mit performativen Formen Sophie Taeuber-Arps auf und gibt uns die Möglichkeit den Körper, der sich mehr oder weniger sichtbar auch als ein Faden durch ihr Werk zieht, einzubringen und ine buchstäbliche Vielstimmigkeit zu erzeugen.