2021
FRANZISKA BEELI
Hochschule der Künste Bern
Der Umgang mit den Überarbeitungen am «Triptychon» (1918) von Sophie Taeuber-Arp
Das dreiteilige Gemälde «Triptychon» aus dem Jahre 1918 von Sophie Taeuber-Arp (1889–1943) wird in den bevorstehenden Ausstellungen «Sophie Taeuber-Arp» im Frühjahr 2021 im Kunstmuseum Basel, anschliessend in der Tate in London und Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Das Werk ist stark überarbeitet und es stellen sich viele Fragen zu dessen Objektgeschichte. Während der Forschungsarbeit im Rahmen einer Masterthesis im Studiengang Conservation-Restoration an der Hochschule der Künste Bern werden die Überarbeitungen eingehend untersucht. Durch kunsttechnologische Werkuntersuchungen, vergleichende Werkanalysen und Recherchen zu Taeuber-Arps maltechnischer Arbeitsweise wie auch zu Überarbeitungen in ihrem OEuvre sollen Fragen zur Objektgeschichte beantwortet und das Werk in ihrem OEuvre kontextualisiert werden. Basierend auf diesen Ergebnissen und unter Einbezug restaurierungstechnischer und ethischer Aspekte soll schliesslich ein Konzept zum Umgang mit den Überarbeitungen erstellt werden.
Grundlage der Arbeit stellt ein gründlicher, technischer Befund dar: Durch die makro- und mikroskopische Oberflächenuntersuchung im VIS und unter UV-Anregung werden u.a. Materialunterschiede kontrastiert. Die Tiefenuntersuchung kann Unterzeichnungen, Untermalungen und Schäden im Materialgefüge sichtbarmachen oder verdeutlichen, was wiederum Beweggründe für spätere Überarbeitungen aufzeigen kann. Mittels mikroskopischen Querschliffanalysen und chemisch charakterisierenden Materialanalysen sollen zeitliche Abgrenzungen und Zusammenhänge im Malschichtenaufbau erkannt oder verdeutlicht werden und Unterschiede von Originalsubstanz und Hinzufügungen analysiert werden. Die Ergebnisse werden mit den bisherigen maltechnischen Forschungsarbeiten verglichen.
Der technische Befund wird dem Gesamt-OEuvre der Künstlerin kritisch gegenübergestellt. Hierzu liefern vergleichende Werkanalysen eine zentrale Rolle. Ergänzend werden ausgewählte Werke besichtigt, ggf. beprobt bzw. Materialanalysen durchgeführt. Eine weitere, wichtige Untersuchungsmethode stellt die Sichtung des Briefwechsels von Sophie Taeuber-Arp, ihren Skizzenbüchern bzw. Karteien und Tagebüchern wie auch deren von ihrem Mann Hans Arp dar, wobei gezielt nach Hinweisen auf Überarbeitungen und eine zeitliche Eingrenzung recherchiert wird.
Die Untersuchungen sind sowohl werkbezogen als auch für das Gesamt-OEuvre bedeutsam: Erkenntnisse über den materiellen Aufbau, Werkprozesse und den Zustand des Werkes liefern die Grundlage zum Verständnis der Objektgeschichte des «Triptychon» (1918). Der konservatorisch-restauratorische Umgang mit den Überarbeitungen trägt massgebend der Rezeption des Werkes bei. Auch andere Werke der Künstlerin wurden nach dem Tod der Künstlerin überarbeitet, fertiggestellt oder durch ihren Mann Hans Arp neugeschöpft. Aus kunsttechnologischer Sicht wurden bisher noch keine Bestrebungen unternommen, Überarbeitungsspuren abzuklären.
GESINE BETZ
Hochschule der Künste Bern
Sophie Taeuber Arp – Techniken, Arbeitsweise und Materialien der Schweizer Pionierin
Im Rahmen des Forschungsprojekts «Sophie Taeuber Arp – Techniken, Arbeitsweise und Materialien der Schweizer Pionierin» sollen erstmals die künstlerischen Techniken dieser wegweisenden Künstlerin der klassisch-modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, ihre Arbeitsprozesse und die in den Kunstwerken (Marionetten, Skulpturen, Reliefs und Malereien) verwendeten Werkstoffe systematisch und chronologisch analysiert werden.
Das Ziel sieht eine Beantwortung der Forschungsfragen zu ihren verwendeten Malmaterialien vor: Hat Sophie Taeuber-Arp ihre Malutensilien im Handel erworben und lassen sich die Hersteller rekonstruieren? Verwendete die Künstlerin Tubenölfarben und Temperafarben? Prinzipiell soll die Frage nach ihren verwendeten Bindemitteln und -systemen geklärt werden.
Weitere Fragen beziehen sich auf den Entstehungsprozess und die Authentizität ihrer Kunstwerke: Wurden partielle Eiweiss- oder Wachsfirnisse von Sophie Taeuber-Arp zum Abschluss aufgetragen? Oder wurden Gemälde mit wachshaltigen Substanzen postum mattiert? Hat Sophie Taeuber-Arp gezielt mit dem Kontrast zwischen Glanz und Mattigkeit gespielt und wie wichtig war ihr die Oberflächenästhetik in der Intention ihrer Kunst- und Kulturobjekte? Die Vertiefung der kunsttechnologischen Untersuchungen an gesicherten Kunstwerken von Sophie Taeuber-Arp soll daher ermöglichen, charakteristische Hinweise zum Schaffensprozess ihrer Werke zu sammeln. Es ist bekannt, dass die Künstlerin Lili Erzinger post mortem Gemälde von Sophie Taeuber-Arp vollendete, neu fasste oder «restaurierte», deren Zuschreibungen bis heute unklar sind. Auch ihr Mann, Hans Arp, fertigte und verkaufte nach dem frühen und plötzlichen Tod seiner Frau weiterhin Kunstwerke und Nachschöpfungen aus der Dada-Periode im Namen von Sophie Taeuber-Arp an. Hierbei unterstützte ihn nach 1945 sein Assistent Marcel Schneider, der zum Beispiel Holzreliefs zuerst mit einem Pinsel und später mit einer Sprühpistole überfasste. Erst nach der wissenschaftlichen Erfassung der facettenreichen historisch-kunsttechnischen Dimensionen der Kunstwerke von Sophie Taeuber lassen sich zukünftige adäquate Konservierungs- und Restaurierungskonzepte zur materiellen Erhaltung erstellen oder aufkommende ethische Fragen diskutieren.
Als methodische Vorgehensweise der kunsttechnologischen Untersuchungen sollen natur- und geisteswissenschaftliche Ansätze ineinandergreifen. Bei diesem etablierten interdisziplinären Ansatz werden Schrift- und Sachquellen ausgewertet und interpretiert, die Maltechnik optisch und strahlendiagnostisch untersucht sowie Materialanalysen durchgeführt. Durch die Zusammenführung der Einzelergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln wird ein möglichst vielschichtiges Bild entstehen. Für die Auswertung von Schriftquellen sollen vorwiegend Briefe, schriftliche Aufzeichnungen und Korrespondenzen der international gut vernetzten Künstlerin in den Nachlässen der Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V. in Berlin herangezogen werden.
GWENDOLINE CORTHIER-HARDOIN
PhD Student in Art History
École normale supérieure de Paris & Université Paul Valéry Montpellier 3 (France)
Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, Künstler-Sammler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Gwendoline Corthier-Hardoin widmet sich der Kunstsammlung von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp. Während ihrer gesamten Lebenszeit haben sich die beiden Künstler mit Arbeiten ihrer Künstlerkollegen umgeben. Unter den Werken, die Marguerite Arp-Hagenbach zwischen 1968 und 1973 dem Centre Pompidou schenkte, waren über 20 Arbeiten anderer Künstler, die vormals Arp und Taeuber-Arp gehörten. Darüber hinaus sind weitere Werke, etwa von Max Ernst, Sonia und Robert Delaunay, Francis Picabia, Michel Seuphor, Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck und Tristan Tzara, im Besitz der Stiftung Arp e.V., die den Nachlass des Künstlerehepaars bewahrt.
Das Ziel des Projektes ist ein doppeltes, zum einen sollen alle Werke recherchiert werden, die dem Ehepaar gehörten, aber nicht von ihren angefertigt wurden, und zum anderen soll untersucht werden, auf welchem Weg diese Arbeiten in ihren Besitz gelangten. Dafür muss untersucht werden, wie und warum Kunstwerke zwischen Künstlern verschenkt und getauscht wurden. Zugleich sagen die Werke etwas über die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Künstlern aus, z.B. die vielen Porträts Arps, die seine Freunde angefertigt haben, oder die „Cadavre exquis“, an denen mehrere Künstler mitwirkten. Diese Werke sind also auch Zeugen der Experimentierfreude der Dada- und Surrealistenfreunde.
Weiterhin soll auch die Korrespondenz der beiden in Hinblick auf diese Werke durchgeschaut werden, um dadurch Hinweise zu erhalten, wie und warum sie die Arbeiten anderer Künstler erhielten.
Diese Recherche wird weitergeführt werden, indem weitere Künstler-Sammlungen untersucht werden, vor allem solche, die wiederum Arbeiten von Arp und Taeuber-Arp enthielten, z.B. die Sammlung von André Breton, Anne Ethuin und Édouard Jaguer, Gottfried Honegger, Jean Gorin, Marcel Janco, Marcel Jean, Wassily Kandinsky, Tristan Tzara und die Société Anonyme (Marcel Duchamp und Katherine S. Dreier). Wir werden darüber hinaus das Netzwerk von Künstlersammlungen räumlich visualisieren, um die Hauptakteure und Funktionsweisen auszumachen. Diese Studie berührt Fragen nach dem Sammlertum, dem Kunstmarkt und künstlerischen Netzwerken, denen sich die Stipendiatin mit einem interdisziplinären Ansatz aus Bereichen der Kunstgeschichte, Soziologie, Wirtschaft und Digital Humanties annähert.
DR. ALICE ENSABELLA
Universität Grenoble, Frankreich
Hans Arp und seine ersten Galeristen in Paris: Jaques Viot und Camille Goemans
Wie präsentiert sich eine Avantgarde selbst am Kunstmarkt? Wie hält es eine Kunstbewegung wie der Surrealismus, bekannt für seine antikapitalistische Haltung, mit ökonomischen und finanziellen Fragen in Bezug aufs Sammeln, Kaufen und Verkaufen von Kunstwerken?
Seit der Gründung der Kunstbewegung 1924 und bestärkt durch ihre Avantgardeposition hat sich der Surrealismus unabhängig auf dem Kunstmarkt platziert. Die Eröffnung der Galerie Surréaliste 1926, gefolgt von der Galerie Goemans 1929 und die Organisation von Gruppenausstellungen in anderen Galerien zeigt ganz klar diese Einstellung. Indem sich Sammler, Galeristen, Kritiker und Auktionshäuser vernetzten, vermochten es Breton und andere die surrealistischen Künstler in den blühenden Pariser Kunstmarkt der 1920er-Jahre einzuführen, ohne auf die Hilfe von Galeristen zurückgreifen zu müssen. Der erste Förderer surrealistischer Kunst waren die Gründer selbst. Neben dieser Gruppe spielten zwei weitere Surrealisten eine Schlüsselrolle, die erste Surrealistengeneration zu fördern: der Schriftsteller Jacques Viot, der bei der Galerie Pierre angestellt war, wo er die 1. Ausstellung surrealistischer Malerei 1925 organisiert hat, und der belgische Dichter und Kunsthändler Camille Goemans, Gründer und Direktor der Galerie Goemans von 1929 bis 1930. Diese Recherche hat das Ziel, die Strategien nachzuziehen, die zwischen 1925 und 1927 zunächst Jacques Viot und danach Camille Goemans zwischen 1929 und 1930 angewandt haben, um Arps Kunst zu fördern. Viot und Goemans trafen Arp jeweils in dessen Pariser Atelier in der Rue Tourlaque. Dabei ist die Beziehung zwischen Arp und Viot noch immer sehr unklar; ob es überhaupt einen Vertrag gab, ist völlig ungewiss.
Jedenfalls geht sowohl Arps Teilnahme an der ersten Ausstellung surrealistischer Malerei als auch die Aufnahme seiner Werke in die Galerie Pierre sicher auf die Initiative von Viot zurück. Nachdem Viot Paris aus finanziellen Gründen verlassen hatte, wurde Goemans Arps Galerist und stellte dessen Werke in Brüssel und Paris aus. Dabei zeigt die kürzliche Entdeckung der Korrespondenz zwischen Goemans und dem belgischen Sammler Pierre Janlet nicht nur, dass es einen Vertrag zwischen dem Künstler und dem Galeristen gab, sondern gibt uns zudem wertvolle Hinweise auf die Verkäufe von und den Handel mit Arps Werken in der belgischen und französischen Hauptstadt. Dass Arp eine zentrale Figur für Goemans war und die Nähe der beiden zueinander wird auch dadurch untermauert, dass die Pariser Galerie Goemans mit einer Einzelausstellung Arps Werke 1929 eröffnet wurde und dass Arps Frau Sophie Taeuber-Arp den Innenraum der Galerie konzipiert hat.
Indem die Beziehung zwischen Arp und seinen frühen französischen/belgischen Kunsthändlern rekonstruiert wird, ist es möglich, neue Erkenntnisse über seinen kommerziellen Erfolg zu Beginn des Surrealismus zu erhalten. Diese Forschung kann somit neue Perspektiven auf die Förderung des Werkes von Hans Arp eröffnen und ganz allgemein die verkaufsfördernden Strategien aufzeigen, mit denen die frühen Surrealisten am Pariser Kunstmarkt in den späten 1920er-Jahre plaziert wurden.
JONATHAN HAMMER
Künstler, Madrid
Sophie Taeuber-Arps Druckgraphiken
Ich möchte den Entstehungsprozess von Sophie Taeuber-Arps Druckgraphiken untersuchen. Obwohl nicht so viele druckgrafische Blätter aus ihrer Lebenszeit bekannt sind, fertigte sie wie so viele ihrer Zeitgenossen Druckgrafiken an.
Dabei gibt es neben einer Handvoll an Tiefdrucken auch einige Linolschnitte. Dafür sollen alle Künstlerbüchern, an denen sie beteiligt war und die als Gemeinschaftsarbeiten entstanden sind, untersucht werden. Diese Bücher, die sowohl zu ihrer Lebzeit als auch posthum entstanden sind, beeinhalten nicht nur bloße Reproduktionsgrafik, sondern sind tatsächlich eigene Werke von ihrer Hand, die aber teilweise erst nach dem 2. Weltkrieg erschienen sind.
So war etwa vorgesehen, das Album Grasse direkt nach der Fertigstellung der Einzelblätter drucken zu lassen, was aber durch den Krieg verhindert wurde.
Mich interessieren dabei verschiedene Aspekte: Hat Sophie Taeuber-Arp Druckgrafik als bloßes Reproduktionsmedium betrachtet, um Arbeiten zu vervielfältigen, an denen sie gerade arbeitete? Oder leitete sie die Gruppe beim Album Grasse an, um sie in ein neues konzeptionelles und visuelles Terrain zu führen? Wie genau muss man das Werk betrachten, um zu verstehen, dass Sophie Taeuber Arp, anders als viele gegenständliche und spätere Hard-Edge-Künstler, tatsächlich dreidimensional mit Volumen und Perspektive umging, dabei aber die Bildsprache der Zweidimensionalität beibehielt?
DR. NICOLE HARTJE-GRAVE
Kunsthistorikerin, Köln
Um 1930 in der Schweiz –
Hans Arp und seine frühen Schweizer Sammler Maja und Emanuel Hoffmann, Annie und Oskar Müller-Widmann sowie Clara und Emil Friedrich-Jezler
Das geplante Forschungsprojekt „Um 1930 in der Schweiz“ hat das Ziel, sich erstmals mit Hans Arp und seinen frühen Schweizer Sammlern auseinanderzusetzen und diese Verbindungen zu dokumentieren. Lange bevor französische, deutsche und amerikanische Sammler die Bedeutung Arps erkannten, wurden in Basel Maja und Emanuel Hoffmann und Annie und Oskar Müller-Widmann sowie in Zürich Clara und Emil Friedrich-Jezler auf ihn aufmerksam und erwarben schon zu Beginn der 1930er-Jahre seine Werke, vor allem Reliefs. Mit Ausnahme des Ehepaars Müller-Widmann sind die beiden anderen Sammlerpaare zwar weithin bekannt, aber wissenschaftlich völlig unbearbeitet sind ihre frühen Verbindungen zu Hans Arp.
Warum förderten sie gerade den in weiten Kreisen noch eher unbekannten Arp, und wie beeinflussten die Baseler Galeristin Marie-Suzanne Feigel, die Kunstkritikerin Carola Giedion-Welcker und der Baseler Museumsdirektor Georg Schmidt den Geschmack der jungen Sammler? Warum kam es gerade in Basel 1932 zur ersten namhaften Retrospektive seines Werks? Und wie funktionierte dieses Netzwerk aus Sammlern, Kunsthändlern und Museumsleuten, die sich mit Sicherheit untereinander kannten und sich in ihrer Wertschätzung Arps vielleicht sogar gegenseitig befeuerten? Diese Fragen sollen in einem dreimonatigen Forschungsstipendium der Stiftung Arp in Berlin mit Hilfe der umfangreichen Bibliothek und dem Archiv geklärt werden.
FABIAN KNÖBL und BRIGITTE KOVACS
Dada Walk 21
In ihrem Manifest “Excursions and Visites”, das unter anderem auch Hans Arp zeichnete, kündigte die französische Dada-Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Stadtraumerkundungen zu banalen Orten von Paris an. Als Auftakt fand am 14. April 1921 die erste (und entgegen des ursprünglichen Plans auch einzige) Exkursion zur Kirche Saint-Julien-le Pauvre statt. Sie wurde zur wichtigsten städtischen Intervention des Dadaismus und zur Grundlage für eine Reihe von Deambulationen und Dérives, die in den darauffolgenden Jahrzehnten von anderen KünstlerInnengruppen wie den Situationisten durchgeführt wurden.
2021 jährt sich diese frühe Dada-Aktion, die den Grundstein gelegt hat, das Gehen als Methode der Stadtraumerkundung und als Mittel der Kunstproduktion zu definieren, zum 100. Mal. In Anlehnung an dieses Jubiläum und an Arps Teilnahme in diversen internationalen Künstlervereinigungen planen Brigitte Kovacs (Österreich) und Fabian Knöbl (Deutschland) eine grenzüberschreitende künstlerische Forschungsreise, die primär zu Fuß, vom Arp Museum in Remagen/Deutschland zur Kirche Saint-Julien-le-Pauvre in Paris/Frankreich führen soll. Als Ankunftsdatum in Paris ist der 14. April 2021 angedacht. Auf der mehrwöchigen Reise soll es zu einer Aktualisierung des Gehens als Mittel der Kunstproduktion und Raumerkundung in Zeiten fortschreitenden Klimawandels und zunehmender Verbauung von Natur kommen. Gleichzeitig wird die von den Dadaisten geforderte Engführung von Kunst und Leben in der Praxis vollzogen. Am Weg sollen eigens dafür entworfene und vorab produzierte Wegweiser aufgestellt werden, die die gewählte Route markieren und sowohl in Richtung Paris als auch Remagen zeigen. An den Enden eines jeden Wegweisers soll jeweils ein „DA“ im Sinne von „dahin“ vermerkt sein. Am Ende der Wanderung soll in der direkten Umgebung der Kirche Saint-Julien-le-Pauvre in Paris eine Gedenktafel im gleichen Stil wie die Wegweiser installiert werden, die dieser frühen Dada Aktion gedenkt. Durch das Aufstellen von Wegweisern und Gedenktafel kommt es zu einer Vermessung des durchwanderten Raums in und mit einem eigens entwickelten Zeichensystem: eine Kartografie des Gehens als Kunst.
Als Dokumentation der Reise soll ein künstlerisches Tagebuch – bestehend aus Texten, Fotografien, Karten, Fundstücken, Pflanzen, Eindrücken und Abdrücken, Frottagen etc. – entstehen, das ein Materialporträt der passierten Landschaft darstellt und gleichzeitig als Reiseführer funktioniert. Hierbei sollen auch andere eingeladen werden, auf den Spuren der Dadaisten zu wandeln. Zusätzlich soll täglich ein Foto der Reise präsentiert werden, um die analoge Handlung des Gehens im digitalen Raum zu verorten und das Projekt auf breiter Ebene zugänglich zu machen.
FERNANDA LOPES TORRES
Kunstwissenschaftlerin Multirio – Municipal Company of Midias of Rio de Janeiro
Hans Arp und Sérgio Camargo: Konkretion, empirische Geometrie und Entzauberung der aufklärerischen Vernunft
Die organischen Reliefs und Skulpturen des deutsch-französischen Künstlers Hans Arp (1886-1966) und des brasilianischen Künstlers Sérgio Camargo (1930-1990) sind das Ergebnis unterschiedlicher Prozesse, obwohl sowohl Arps skulpturale Formen als auch Camargos Kombinationen aus geschnittenen geometrischen Körpern zeigen eine seltene Kombination aus Ordnung und Zufall. In ihren Werken erforschen beide Künstler das Potenzial des Reliefs, sich in den Raum auszudehnen. Während die organischen Formen von Arps Reliefs ausgesägt oder gegossen sind, wird das Volumen von Camargos Reliefs durch die Kombination verschiedener Elemente geschaffen. Wir wollen die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Reliefs und Skulpturen von Arp und Camargo identifizieren und analysieren. Dabei stellen wir die These auf, dass die abstrakten Kompositionen, die biomorphen Formen bei Arp evozieren, und die kombinatorische Methode, deren Formen bei Camargo dennoch dem Organischen verhaftet bleiben, aus unterschiedlichen historischen Momenten stammen, aber am modernistischen Experiment mit seinem universellen und doch atopischen Schicksal teilnehmen, an dessen Horizont das Reale als Erfindung und Zweifel steht. Das Nebeneinander von Ordnung und Zufall verkörpert die Zufälligkeit des Alltäglichen und offenbart zugleich eine gewisse Entzauberung der aufklärerischen Vernunft.
Zu den Arbeiten von Arp, die wir untersuchen wollen, gehören zwei Reliefs, die sich in öffentlichen Einrichtungen in Brasilien befinden: Configuration (1955, Bronze, Museum für moderne Kunst, Rio de Janeiro) und Expressive Formen (1932, bemaltes Holz, Museum für zeitgenössische Kunst, Universität São Paulo). Der Ankauf dieser Werke durch neu eröffnete Museen für moderne Kunst deutet auf ein Interesse für Werke abseits des Schweizer Konkretismus hin. In der Geschichtsschreibung der brasilianischen Kunst wurde dieses konventionelle Narrativ durch die Geschichte der Biennale von São Paulo verstärkt, deren Eröffnungsausstellung den ersten Preis an den Schweizer Künstler Max Bill vergab. Die Erwerbung des Reliefs Expressive Formen von Arp zeigt neben anderen Werken, dass der Kontext, in dem sich die moderne Kunst in Brasilien entwickelt hat, tatsächlich sehr viel vielfältiger und abwechslungsreicher ist.
KARINE MONTABORD
Université de Bourgogne, Dijon, France
Tanz im Dadaismus
Das Forschungsprojekt ist Teil meiner Doktorarbeit über Dada und Kunst, in dem ich die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Tanzes für die Dada-Aktivitäten lenken möchte, um ihm seinen angestammten Platz und Bedeutung innerhalb der Geschichte von Dada zurückzugeben. Dazu interessiere ich mich für die Wahrnehmung des Tanzes durch die Dadaisten und ihre Interaktionen mit Tänzern und Choreographen. Ich möchte den Zweck des Tanzes in Dada-Veranstaltungen besser verstehen und die Tatsache unterstreichen, dass die Anwesenheit von Tanz und Tänzern im Umfeld der Dadaisten ihre künstlerischen Produktionen möglicherweise beeinflusst haben könnte.
Die Stadt Zürich sticht als Bindeglied zwischen Dada und Tanz hervor. Mit dem Tanztheoretiker Rudolf Laban und seinen Studenten kommen die Dadaisten in Kontakt mit der Tanzwelt. Sophie Taeuber-Arp, Lehrerin an der Kunstgewerbeschule in Zürich, Dadaistin und Labanschülerin, nimmt dabei eine Schlüsselposition im sozialen und künstlerischen Gemengelage von Dada und Tanz ein.
Während meines Aufenthaltes bei der Stiftung Arp e.V. möchte ich untersuchen, wie Sophie Taeuber-Arp es geschafft hat, etwas von ihrer Tanzpraxis in ihre Kunstwerke zu transponieren. Dadurch erhoffe ich mir, die Spuren dieser Übertragung durch die Verwendung von Raum, geometrischen Formen und Farben zu finden, die sie benutzt, um Energie und Bewegung zu verkörpern. Außerdem möchte ich die Zeit nutzen, um mich mit der Beziehung von Hans Arp zum Tanz zu beschäftigen, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit seiner Frau.